Wer sein Fahrzeug sicher und regelkonform auf der Straße bewegen möchte, kommt an den Informationen auf der Reifenflanke nicht vorbei. Diese Codes und Symbole sind weit mehr als kryptische Zeichen: Sie offenbaren entscheidende Details über die Eignung eines Reifens für das jeweilige Fahrzeug und den Einsatzzweck. Ob für Pkw, Motorrad oder andere Fahrzeugtypen – die richtige Interpretation dieser Kennzeichnungen sorgt nicht nur für Sicherheit, sondern optimiert auch Fahrkomfort, Verschleiß und Kraftstoffverbrauch. Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Markierungen und erklärt, worauf Fahrzeughalter achten sollten.
Die Basics der Reifenkennzeichnung: Größe und Bauart entschlüsselt
Auf der Seitenwand jedes Reifens findet sich eine Zahlen- und Buchstabenkombination, die auf den ersten Blick komplex wirken mag. Diese Bezeichnung liefert jedoch alle wesentlichen Informationen über die Reifengröße und die Bauart. Im Fahrzeugschein sind die zugelassenen Reifengrößen in den Zeilen 15.1 und 15.2 vermerkt, ergänzende Angaben können dem CoC-Dokument unter den Ziffern 32 und 50 entnommen werden. Wer diese Dokumente zur Hand nimmt, kann schnell prüfen, welche Dimensionen für das eigene Fahrzeug freigegeben sind.
Reifenbreite, Querschnittsverhältnis und Felgendurchmesser richtig ablesen
Die erste Zahl in der Reifenbezeichnung gibt die Reifenbreite in Millimetern an. Dieser Wert beschreibt die Breite des Reifens von Seitenwand zu Seitenwand, wenn der Reifen auf der vorgesehenen Felge montiert ist. Direkt dahinter folgt eine weitere Zahl, die das Höhe-Breite-Verhältnis in Prozent ausdrückt. Diese Angabe bezieht sich auf die Höhe der Reifenflanke im Verhältnis zur Reifenbreite. Ein niedrigeres Verhältnis bedeutet eine flachere Bauweise, was oft mit sportlicheren Fahreigenschaften einhergeht. Nach diesen beiden Zahlen erscheint ein Buchstabe, der die Bauweise kennzeichnet. Der Buchstabe R steht für Radialbauweise, die heute bei fast allen modernen Reifen zum Einsatz kommt. Im Anschluss folgt die Angabe des Felgendurchmessers in Zoll, die angibt, für welchen Felgentyp der Reifen ausgelegt ist.
Radial- versus Diagonalbauweise: Unterschiede in der Konstruktion
Die Radialbauart hat sich in der Pkw- und Motorradwelt weitgehend durchgesetzt, da sie durch ihre Konstruktion ein besseres Fahrverhalten und eine höhere Laufleistung ermöglicht. Bei Radialreifen verlaufen die Karkassenfäden quer zur Laufrichtung, was für eine flexiblere Lauffläche sorgt. Im Gegensatz dazu weisen Diagonalreifen eine Bauweise auf, bei der die Karkassenfäden diagonal angeordnet sind. Diese ältere Konstruktionsart findet man heute vor allem noch bei speziellen Anwendungen oder Oldtimern. Für den Alltag bieten Radialreifen deutliche Vorteile in puncto Grip, Verschleißfestigkeit und Lenkpräzision.
Tragfähigkeitsindex und Geschwindigkeitssymbol: Sicherheit durch die richtigen Werte
Nach den Angaben zur Größe und Bauart folgen zwei weitere entscheidende Kennzahlen: der Lastindex und der Speed-Index. Diese beiden Werte bestimmen, welche maximale Last ein Reifen tragen darf und für welche Höchstgeschwindigkeit er zugelassen ist. Beide Angaben sind im Fahrzeugschein vermerkt und müssen bei der Reifenwahl unbedingt beachtet werden, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und rechtliche Vorgaben zu erfüllen.
Load-Index verstehen: Wie viel Last kann ein Reifen tragen?
Der Tragfähigkeitsindex, auch Lastindex genannt, wird durch eine Zahl dargestellt, die die maximale Belastung pro Reifen in Kilogramm angibt. Jeder Zahlencode ist einer bestimmten Tragfähigkeit zugeordnet, die in Tabellen nachgeschlagen werden kann. Dieser Wert ist besonders wichtig, wenn das Fahrzeug voll beladen oder mit einem Anhänger unterwegs ist. Wird ein Reifen über seine Tragfähigkeit hinaus belastet, können strukturelle Schäden entstehen, die das Fahrverhalten beeinträchtigen und zu gefährlichen Situationen führen. Daher sollte bei der Auswahl neuer Reifen stets darauf geachtet werden, dass der Lastindex mindestens den Vorgaben des Fahrzeugherstellers entspricht oder diese übertrifft.
Speed-Rating im Überblick: Von Q bis Y – Welches Symbol passt zu Ihrem Fahrstil?
Der Geschwindigkeitsindex wird durch einen Buchstaben dargestellt, der die für den Reifen zugelassene Höchstgeschwindigkeit definiert. Diese Angabe findet sich sowohl auf der Seitenwand des Reifens als auch im Fahrzeugschein und auf der EU-Kennzeichnung. Die Buchstaben reichen von A bis Y, wobei gängige Symbole wie H für 210 Kilometer pro Stunde, V für 240 Kilometer pro Stunde und W für 270 Kilometer pro Stunde stehen. Der Speed-Index wird im Testlabor auf einem Rollprüfstand unter definierten Bedingungen überprüft, um die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Reifens zu gewährleisten. Grundsätzlich ist es erlaubt, Reifen mit einem höheren Geschwindigkeitsindex zu montieren, als im Fahrzeugschein angegeben. Das Gegenteil ist jedoch nicht zulässig, da ein niedrigerer Index die Sicherheit gefährden kann. Eine Ausnahme bilden Winter- und Ganzjahresreifen: Diese dürfen einen niedrigeren Speed-Index aufweisen, sofern ein gut sichtbarer Aufkleber im Fahrzeug auf die reduzierte Höchstgeschwindigkeit hinweist. In Italien gilt zudem eine besondere Regelung: Winterreifen dürfen im Sommer nur dann gefahren werden, wenn ihr Geschwindigkeitsindex mindestens dem der Standard-Sommerbereifung entspricht. Diese Vorgabe ist während der Sommermonate vom 16. Mai bis 14. Oktober zu beachten.
DOT-Nummer und weitere wichtige Kennzeichnungen auf der Reifenflanke
Neben den Angaben zu Größe, Tragfähigkeit und Geschwindigkeit finden sich auf der Reifenseitenwand weitere Markierungen, die wertvolle Hinweise auf das Alter, die Eignung für bestimmte Witterungsbedingungen und spezielle Eigenschaften des Reifens geben. Diese Informationen sind für die regelmäßige Kontrolle und den fachgerechten Reifenwechsel unerlässlich.
Produktionsdatum ablesen: So erkennen Sie das Alter Ihrer Reifen
Die DOT-Nummer auf der Reifenflanke enthält wichtige Angaben zum Produktionsdatum. In diesem Code sind Woche und Jahr der Herstellung verschlüsselt. Die letzten vier Ziffern geben Aufschluss über das genaue Datum: Die ersten beiden Ziffern stehen für die Kalenderwoche, die letzten beiden für das Jahr. Ein Reifen mit der Endung 2318 wurde beispielsweise in der 23. Woche des Jahres 2018 hergestellt. Das Alter eines Reifens ist ein entscheidender Faktor für die Sicherheit, da Gummi mit der Zeit seine Elastizität verliert. Experten empfehlen, Reifen nach spätestens sechs Jahren zu ersetzen, auch wenn die Profiltiefe noch ausreichend ist.
EU-Reifenlabel, M+S-Symbol und Schneeflockenkennzeichen erklärt
Das EU-Reifenlabel bietet auf einen Blick Informationen über Rollwiderstand, Nasshaftung und Geräuschemission. Diese Kennzeichnung hilft dabei, Reifen hinsichtlich Kraftstoffverbrauch und Sicherheit zu vergleichen. Für Winterreifen ist das Alpine-Symbol mit einer Schneeflocke im Berg seit 2018 Pflicht. Dieses Symbol bestätigt, dass der Reifen spezielle Tests bestanden hat und somit für winterliche Straßenverhältnisse geeignet ist. Das ältere M+S-Zeichen, das für Matsch und Schnee steht, hat seit Oktober 2024 ausgedient und gilt nicht mehr als alleiniger Nachweis für Wintertauglichkeit. Ganzjahresreifen tragen ebenfalls das Alpine-Symbol, wenn sie den entsprechenden Anforderungen genügen. Verschleißanzeiger, auch TWI genannt, sind kleine Erhebungen in den Profilrillen, die anzeigen, wann die Mindestprofiltiefe erreicht ist. Diese liegt gesetzlich bei 1,6 Millimetern, allerdings empfehlen Fachleute für Winterreifen eine Profiltiefe von mindestens drei bis vier Millimetern, um ausreichende Traktion im Schnee zu gewährleisten.
Spezielle Kennzeichnungen für Motorrad- und Pkw-Reifen im Vergleich
Während viele Kennzeichnungen für verschiedene Fahrzeugtypen ähnlich sind, gibt es dennoch spezifische Markierungen, die nur für bestimmte Bereiche gelten. Motorradreifen weisen oft andere Dimensionen und zusätzliche Symbole auf, die auf die besonderen Anforderungen des Zweiradbereichs zugeschnitten sind. Pkw-Reifen hingegen verfügen über eigene Kennzeichnungen, die auf spezielle Einsatzbereiche oder technische Besonderheiten hinweisen.
Besonderheiten bei Motorradreifen: Was Biker beachten müssen
Motorradreifen unterliegen aufgrund der höheren Belastungen und der speziellen Fahrdynamik strengeren Anforderungen. Die Reifenbezeichnung folgt zwar prinzipiell dem gleichen Schema wie bei Pkw-Reifen, jedoch sind die Dimensionen oft deutlich unterschiedlich. Zudem sind auf Motorradreifen häufig zusätzliche Symbole zu finden, die auf die Eignung für bestimmte Geschwindigkeiten oder spezielle Einsatzgebiete hinweisen. Biker sollten darauf achten, dass die montierten Reifen exakt den Vorgaben des Fahrzeugherstellers entsprechen, da schon geringfügige Abweichungen das Fahrverhalten erheblich beeinflussen können. Auch die regelmäßige Kontrolle der Profiltiefe ist bei Motorrädern besonders wichtig, da die Kontaktfläche zur Fahrbahn deutlich kleiner ist als bei Pkw.
Pkw-spezifische markierungen: von runflat bis extra load
Pkw-Reifen sind in der Regel schlauchlos ausgeführt, was durch die Markierung Tubeless auf der Seitenwand angezeigt wird. Diese Bauweise hat sich aufgrund der höheren Sicherheit und des geringeren Gewichts durchgesetzt. Notlauf- oder Run-Flat-Reifen verfügen über verstärkte Flanken, die es ermöglichen, auch bei einem Druckverlust noch eine gewisse Strecke zurückzulegen. Diese Reifen sind mit speziellen Abkürzungen wie ROF, RFT oder SSR gekennzeichnet. Noträder, die nur für den kurzzeitigen Gebrauch nach einer Panne vorgesehen sind, tragen den Buchstaben T vor der Breitenangabe. Diese dürfen nur mit eingeschränkter Geschwindigkeit und über begrenzte Distanzen gefahren werden. Runderneuerte Reifen, die ein zweites Leben erhalten haben, sind am E-Prüfzeichen zu erkennen. Sie bieten eine wirtschaftliche Alternative, müssen jedoch den gleichen Sicherheitsstandards genügen wie Neureifen. Reifen mit der Kennzeichnung Extra Load oder Reinforced sind für höhere Lasten ausgelegt und kommen häufig bei Fahrzeugen mit hohem Zuladungspotenzial zum Einsatz.
